Sonntag, 18. Oktober 2009

Vertraut, und doch fremd

Gerade bin ich aus Soc Trang wiedergekommen und sitze nun an meinem Laptop, um einen neuen Blogeintrag zu verfassen, ohne zu wissen, wann sich das Internet denn mal wieder gnädig zeigt und mir die Möglichkeit gibt, ihn zu veröffentlichen.
Seit Freitag ist wieder mehr Erwähnenswertes passiert. Ursprünglich hatten wir geplant, am Freitag nach der Schule nach Soc Trang zu fahren, um dort bei einer anderen Freiwilligen zu übernachten und mit ihr am Samstag nach Bac Lieu zu fahren, wo es ein ganz tolles Vogelreservat geben soll. Freitag haben wir in der Schule erfahren, dass der vietnamesische Frauentag ist und dieser am Nachmittag gefeiert werden sollte. Um 3 Uhr sollten die Kinder an diesem Tag schon abgeholt werden, sodass alle Lehrerinnen gemeinsam in einem Restaurant essen gehen könnten. In Wirklichkeit fuhren die letzten Kinder dann um Viertel vor Vier nach Hause, aber ich hatte das Gefühl, diese Verspätung war von den Lehrerinnen einkalkuliert worden. In der dritten Klasse hatte am Freitag ein Kind Geburtstag, sodass in der Pause am Nachmittag die Mutter von ihm kam und ganz viel Kuchen und Süßigkeiten brachte. Es schien, dass dort eine richtige Geburtstagsparty in der Schule stattfand, denn die Kinder hatten auch Geschenke für den Jungen dabei.
Als fast alle Kinder abgeholt worden waren, fuhren wir los zu dem Restaurant – alle mit Mopeds, nur wir mit unseren Klapperfahrrädern, naja…In dem Restaurant saßen wir dann mit etwa 15 Leuten und verstanden kein Wort. Irgendwann erhob sich unsere Direktorin, die alle eingeladen hatte, und sprach ein paar vietnamesische Worte zu allen, wo wir natürlich wieder nur Bahnhof verstanden. Als sie sich wieder gesetzt hatte, erzählte sie uns, dass sie uns zum Frauentag gratuliert hätte – na dann, Danke! Beim Essen saßen wir weiter etwas verloren zwischen den viele Menschen, von denen ich viele auch noch gar nicht gesehen habe. Die „nurse“-Frauen kenne ich alle vom Sehen, aber von den Lehrerinnen waren mir fast alle fremd. Ich war ganz froh, dass neben mir unsere Schulsekretärin saß, die ganz gut Englisch spricht und mit der ich mich hin und wieder unterhalten konnte. Ansonsten wusste unsere Direktorin, dass wir an diesem Tag nach Soc Trang fahren wollten und fragte uns nach einer Stunde, ob wir jetzt gehen wollten.
Nach einem kurzen Supermarktstopp fuhren wir dann zurück und packten unsere Sachen, sodass wir bald nach Soc Trang aufbrechen konnten. Am Busbahnhof suchten wir jedoch vergeblich nach einem Bus nach Soc Trang und mussten feststellen, dass der letzte Bus dorthin mittags um 1 Uhr gefahren war. Eine bittere Erkenntnis…Ziemlich deprimiert gingen wir nach Hause und waren abends noch etwas trinken – es war definitiv kein schöner Abend!
Da ich an diesem Wochenende aber unbedingt etwas unternehmen wollte, organisierte ich mir noch am Abend eine Busfahrt nach Soc Trang für den nächsten Tag. Um 9 Uhr ging es am Samstagmorgen los. Als ich nach einigen Komplikationen, weil am Busbahnhof so gut wie keiner Englisch spricht, endlich im Bus saß, war ich froh und gespannt, wo ich letztendlich ankommen würde. In dem Bus gab es 15 Plätze und ich wurde von jedem Mitfahrenden erst mal angestarrt, aber sie lächelten mich gleichzeitig auch an. Es war schade, dass anscheinend keiner von ihnen Englisch sprach; trotzdem verging die Fahrt schnell. Ich hatte zu keinem Zeitpunkt das Gefühl, wirklich aus der Stadt herauszukommen, denn die Strecke ist die ganze Zeit von Häusern bzw. Hütten umgeben. Als wir nach Soc Trang kamen, gefiel mir die Stadt von Anfang an sehr gut. Ich wurde netterweise von der anderen Freiwilligen vom Busbahnhof abgeholt und wir probierten zum ersten Mal, wie es ist, zu zweit auf einem Fahrrad zu fahren, und begannen, die Vietnamesen dafür zu bewundern. Das Haus, in dem die beiden Freiwilligen mittlerweile leben, ist sehr gemütlich, auch wenn die Küche und das Bad etwas gewöhnungsbedürftig sind. Aber man gewöhnt sich hier mit der Zeit an vieles...Da es mittlerweile schon fast Mittag war, fuhren wir in die Stadt, um etwas zu essen. Wir aßen in einem vegetarischen Restaurant, was sehr lecker war. Anschließend fuhren wir etwas durch die schöne Innenstadt, bis wir uns beim Bäcker etwas Kuchen kauften und uns damit in ein Cafe setzten. Hier ist es nämlich üblich, dass man sich sein Essen einfach mit ins Cafe nimmt – unsere Direktorin hatte am Freitag auch eine Tüte voll Wasser mit im Restaurant gehabt; umgekehrt geht es also auch.
Während wir gegessen hatten und im Cafe saßen, hatte es immer wieder ein bisschen geregnet, aber es schien sich bald ausgeregnet zu haben, sodass wir erst in einen Park fahren konnten, der sehr groß war, nur leider mit wenig Grünflächen und von einigen Mopeds bevölkert, und uns anschließend auf den Weg zu ein paar Pagoden machen konnten. Zunächst besuchten wir die Lehmpagode, in der alle Figuren aus Lehm gemacht sind. Die Pagode war sehr beeindruckend und schön. Als wir dort waren, waren einige vietnamesische Besucher da, die uns anschließend ansprachen. Einer von ihnen erzählte mir, dass er in Can Tho lebe, aber er verstand nicht, dass ich auch von dort komme. Sein Englisch war eben doch begrenzt…Von der Lehmpagode fuhren wir weiter auf der Suche nach einer zweiten Pagode. Es ist fast schon ein Wunder, dass wir diese gefunden haben, denn wir mussten von der Hauptstraße auf einen matschigen, unbefestigten Weg abbiegen. Für die Menschen, die an diesem Weg wohnten, schienen wir die Sensation schlechthin zu sein, denn so viele kamen aus ihren Häusern gelaufen. Nach etwa 300 Metern erreichten wir die Pagode, die hier aus mehreren Gebäuden bestand und neben der sich auch ein Haus befand, wo Mönche lebten. Es war fast ein wenig erschreckend, wie jung diese Mönche teilweise waren, aber es war toll, mal so eine Pagode zu besichtigen, wo sehr selten Touristen hinkommen, auch wenn man in die Pagode nicht hineingehen konnte. Als wir zurückfahren wollten, standen einige Vietnamesen um unsere Fahrräder herum und zeigten teilweise sogar mit dem Finger auf uns, aber sie schienen alle sehr freundlich.
Auf dem Rückweg wollten wir noch eine Kirche besichtigen, an der wir auf dem Hinweg vorbeigefahren waren. Als wir dort ankamen, strömten die Leute in die Kirche – es war der Beginn eines Gottesdienstes. Wir waren uns unschlüssig, ob wir an diesem Gottesdienst teilnehmen sollten und liefen erst mal hinten in der Kirche entlang, um einen kurzen Blick hineinwerfen zu können. Nachdem uns eine Frau aber sozusagen einlud, in der Kirche zu bleiben und am Gottesdienst teilzunehmen, wurde uns die Entscheidung sozusagen abgenommen. Obwohl wir Kirchen ja aus Deutschland kennen, war dort alles total anders und neu. Anstatt die beim Beten die Hände zu falten, verschränken die Vietnamesen ihre Arme vor dem Körper. Sie verbeugen sich des Öfteren während des Gottesdienstes und das einzige, was mir bekannt war, war das Bekreuzigen. Einen Klingelbeutel gab es hier, glaube ich, auch; dieser wurde allerdings nicht durch die Reihen gereicht oder stand am Ausgang der Kirche, sondern im Gottesdienst gingen alle nach vorne, um ihr Geld dort „abzugeben“. Es wurde viel gesungen und manche der Lieder haben mich wirklich an deutsche Gottesdienste erinnert, andere waren ganz anders. Alle sangen auswendig, denn es gibt keine Gesangsbücher, und der Gesang wurde von einem Kirchenchor begleitet. Eucharistie wurde übrigens auch gefeiert, aber als Protestant und ohne zu wissen, wie das hier abläuft, habe ich mich nicht getraut, daran teilzunehmen.
Nach einer Stunde gingen wir ziemlich glücklich wieder aus der Kirche heraus. Ich bin sehr dankbar für den Zufall, dass zu diesem Zeitpunkt gerade ein Gottesdienst in der Kirche war, denn es war wirklich ein tolles Erlebnis. Man sieht die Kirche, die einem mit dem Kreuz vorne am Altar total vertraut vorkommt, die aber trotzdem mit Neonlicht so anders gestaltet ist. Dann hört man Gesänge, die einem wirklich vertraut sind, und gleichzeitig stehen dort Frauen im Ao Dai und lesen Bibeltexte. Es ist schade, dass wir so gut wie gar nichts verstanden haben, aber vielleicht können wir ja am Ende des Jahres so gut vietnamesisch, dass wir etwas verstehen – es wäre toll!
Auf dem Rückweg kamen wir an einem Waffelstand vorbei und ich aß seit langem mal wieder eine Waffel, sogar in Herzchenform! Bald gingen wir weiter in ein Restaurant, um Abend zu essen. Es war ein Restaurant, wo einem das Essen auf Rollschuhen gebracht wird – sehr gemütlich und lecker, aber meiner Meinung nach kann man daraus noch etwas mehr machen. Abends kam „Notting Hill“ im Fernsehen und ich habe seit einer sehr, sehr langen Zeit mal wieder Fernsehen geschaut.
Heute morgen sind wir um halb 9 aufgestanden, haben gefrühstückt und sind dann zum Markt gefahren. Der Markt war sehr schön und ich hoffe, hier irgendwann auch mal so etwas in der Art zu finden. Nach einem Kaffee musste ich dann auch schon den Bus zurück nehmen, weil ich eigentlich nicht so spät wieder hier sein wollte, damit ich noch etwas Zeit bis zum Kochen mit unserer Vermieterin hatte, was auch für heute angesetzt war. Auf dem Weg erfuhr ich allerdings, dass das Kochen schon heute Mittag/Vormittag stattfinden sollte – das schaffte ich dann natürlich nicht mehr. Die Enttäuschung war in dem Moment schon groß, aber mittlerweile hoffe ich darauf, in dem Jahr mal von einem anderen Vietnamesen Kochen beigebracht zu bekommen.
Die Rückfahrt war ganz interessant, weil ich wacher war als am Samstag. Bei dieser Fahrt hatte ich den Platz vorne neben dem Fahrer bekommen und hatte bei ein oder zwei Überholmanövern schon ein ungutes Gefühl, aber wie ihr merkt bin ich heil wieder hier angekommen. Solche Busfahrten scheinen mir sehr anstrengend zu sein. Die Straße ist teilweise etwas unbefestigt und vor allem im Brückenbau besteht hier eindeutig Nachholbedarf; dort besteht nämlich keineswegs ein flüssiger Übergang zur Straße. Aber es ist alles auszuhalten und auf der anderen Seite macht Busfahren auch sehr viel Spaß, weil man so viel von der Landschaft/der Umgebung sieht.
Jetzt sitze ich hier, es regnet mal wieder und ich überlege, was ich mit dem Tag noch so anstelle. Meine Vernunft sagt mir, ich sollte Unterricht vorbereiten, aber ob ich darauf höre? Vielleicht treibt es mich auch noch in ein Cafe mit Internetanschluss, sollte es hier weiterhin so schlecht aussehen.
Ein wenig ernüchternd war dieses Wochenende schon, wenn man bedenkt, was alles nicht geklappt hat, aber ich habe ja noch ein Jahr Zeit zum Üben. ;)
Eure Clara

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