Mit den guten Vorsätzen habe ich es hier nicht so und habe nun wieder eine Weile gebraucht, um mich hinzusetzen und einen neuen Blogeintrag zu verfassen. Jetzt ist bereits Mitte Mai und es sind nur noch zwei Wochen bis zu den Ferien.
Was habe ich also gemacht in den letzten Wochen? Das Wochenende um den 1. Mai habe ich in Saigon verbracht. Es war durch den Tag der Befreiung Südvietnams (30.04.) und den 1.Mai, der als freier Tag am Montag nachgeholt wurde (sehr empfehlenswert für Deutschland!) vier Tage lang. Am späten Vormittag nahm ich den Bus nach Saigon, wo die Hinfahrt schon zum Ereignis wurde. Für mindestens 90% des Busses (inklusive mir) war es das erste Mal, dass wir über die riesige neueröffnete Can Tho Brücke fuhren und das war wirklich ein Erlebnis. Man fährt über eine ganz neue Zufahrtsstraße zunächst über einige andere Brücken und jedes Mal, als eine Brücke kam, habe ich (und bestimmt auch ein paar andere) gedacht, jetzt kommt sie, jetzt kommt sie. Auf der wirklichen Can Tho Brücke war wahnsinnig viel Betrieb, viele Vietnamesen waren mit ihren Mopeds da und es gab sogar Polizisten, die für Ordnung sorgten. Der Ausblick war wirklich toll und die Brücke ist einfach riesig. Aus den vier bis fünf Stunden Fahrzeit nach Saigon wurden plötzlich dreieinhalb Stunden, was ein sehr positiver Nebeneffekt war/ist.
In Saigon bekamen wir mal wieder ein Zimmer in unserem Lieblingsguesthouse, von wo aus wir uns relativ bald aufmachten zum Kriegsmuseum. Im Außenbereich kann man sich dort Panzer, Hubschrauber etc. ansehen, innen gibt es Fotos über Fotos vom Krieg, amerikanischen Soldaten, sterbenden Vietnamesen oder durch Agent Orange behinderten Kindern zu sehen. In einem Teil ging es um die Reaktionen der „Welt“ auf den Krieg in Vietnam, wo die meisten Plakate aus der DDR waren, die darin zur Solidarität mit Vietnam aufriefen. Erschrocken hat mich ein Bild von amerikanischen Soldaten, die an Plakaten vorbei gingen, in denen das „Feindbild“ dargestellt war – ein Vietnamese mit Reishut im Reisfeld, total stereotype Bilder. Ich hatte mir von dem Museum, dass DAS Touristenmuseum in Saigon ist, zwar mehr versprochen, fand es jedoch gut, es gesehen zu haben. Nachdem wir abens gegessen und auf dem Ben Tanh Markt noch ein wenig eingekauft hatten, begannen wir den Marathon durch alle Cafés, die „besser“ sind als im Mekong-Delta. Es ging zu Fannys, einer superguten Eisdiele mit wirklich leckerem Eis. Hier herrschte Hochbetrieb, sodass die Kellner froh schienen, als wir endlich gegangen sind. Draußen erwartete uns eine Straße voller Mopeds und Feuerwerksgeräusch. Wir mussten nicht weit laufen, um es zu sehen; schließlich war das der Grund, warum alle auf ihren Mopeds saßen. Eine Weile schauten wir uns das Feuerwerk an, bis es begann zu regnen. Schade!
Für den nächsten Tag hatten wir eine Tour zum Cao Dai Tempel in Tay Ninh und zu den Cu Chi Tunneln gebucht. Besonders auf den Tempel war ich sehr gespannt, denn da wollte ich schon längere Zeit unbedingt hin. Unser guide war um die 60 Jahre alt und erzählte uns zu Anfang „ganz stolz“, er hätte selbst im Krieg mitgekämpft. Den Rest der gut dreistündigen Fahrt verbrachte er damit, uns zu erzählen, wie „lucky“ wir wären, im Frieden zu leben. Das stimmt zwar durchaus, am Anfang hat er das ganze jedoch sehr ins Lächerliche gezogen und nach einer Stunde wurde es aufgrund seines schlechten Englischs etwas anstrengend. Neues zum Tempel, der Religion oder der Stadt konnte er auch nicht erzählen, was ich ein bisschen schade fand. Gegen zwanzig vor 12 waren wir am Tempel angekommen. Schon auf dem Weg waren wir an einigen Cao Dai Tempeln vorbeigekommen, die in der Größe natürlich nicht vergleichbar waren mit dem in Tay Ninh. Tay Ninh ist der Hauptsitz der Cao Dai Sekte, die eine Mischung aus allen Weltreligionen zu sein scheint. In der Tat wollen die Anhänger des Cao Dai alles Positive der fünf Weltreligionen vereinen. Ihnen zufolge werden Religionen gegründet, wenn die Welt im Chaos zu versinken droht, was zunächst bei Moses und dann bei den anderen Gründern der Weltreligionen stattgefunden hätte. Nun ist die dritte und letzte Religion entstanden, die sozusagen „perfekt“ ist, Chaos in der Welt verhindert und die Menschen mit Gott vereint. Der Tempel sah in der Tat aus, als hätte man sich beim Bau nicht entscheiden können, ob man lieber einen Tempel, eine Kirche oder eine Moschee bauen wollte. Von außen sah er aus wie eine große barocke Kirche, die bunt angemalt wurde. Innen gab es jedoch keine Bänke, sondern man kniete zum Beten auf dem Boden. Am Altar standen Räucherstäbchen und ein riesiges Auge, das Zeichen der Cao Dai Sekte, denn so soll sich Gott ihnen offenbart haben. Um 12 fand eine der vier täglichen Zeremonien statt. Die von links einziehenden Frauen trugen alle einen weißen Ao Dai; von rechts zogen die Männer ein, die auch weiß gekleidet waren. Alle folgten einer scheinbar strengen Reihenfolge, wie „nah“ sie am Altar stehen durften. Einen Priester bzw. eine Person, die diese Zeremonie geleitet hat, gab es nicht; stattdessen ertönte immer mal ein Gong, nach dem sich die Gläubigen ein paar Mal den Kopf Richtung Altar neigten.
Wir verließen die Zeremonie etwas früher, da wir um Viertel nach 12 weiter zum Essen fahren sollten. Anschließend ging es zu den Cu Chi Tunneln, wo die Vietcong im Vietnamkrieg ihre Verstecke fanden. Wir wurden von einem Führer in „Vietcong-Look“ begrüßt und in den Wald hineingeführt. Dort zeigte er uns zunächst einige Fallen, die die Vietcong für die Amerikaner gebaut hatten, und ein paar Tunneleingänge, die jedoch SEHR eng waren. Nachdem unsere ganze Gruppe das für ein paar Dong extra angebotene Schießen abgelehnt hatte, kamen wir an einem alten amerikanischen Panzer vorbei, wo wiederum fast unsere ganze Gruppe eine Fotosession einlegte (unterstützt von unserem guide). Geschmack ist verschieden…Daraufhin kamen wir dann (endlich?) zu den Tunneln, die für Touristen zugänglich sind. Die Eingänge sind extra verbreitert, sodass einen der „Schock“ dann erst etwas weiter unten trifft. Die Tunnel sind wahnsinnig eng, wo zu Beginn so ziemlich jeder in meiner unmittelbaren Umgebung Platzangst zu haben schien. Insgesamt kann man durch 100m Tunnel laufen; zwischendurch gibt es aber einige Ausgänge. Als am ersten Eingang alle meine Hintermänner ausgestiegen sind und am nächsten Ausgang die einzige, die noch vor mir war, habe ich mich doch sehr alleine gefühlt und bin auch am zweiten Ausgang wieder herausgekrochen. Ich hatte nicht erwartet, dass es dort so eng, so heiß und so beängstigend sein würde. Zum „krönenden Abschluss“ wurde uns noch ein Film über die Kämpfe bei Cu Chi gezeigt, der etwas gewöhnungsbedürftig war. Spätestens bei der Vorführung der „American Killer Heroes“ habe ich nicht mehr versucht, den schlechten Ton zu verstehen.
Ein wenig enttäuscht war ich von dem Tag letztendlich schon – es waren lange Fahrzeiten und wir hatten einen schlechten guide. Trotzdem konnte ich einiges mitnehmen und war froh, diese Ziele gesehen zu haben.
Am Sonntag wollten wir nicht mehr allzu viel machen. Vormittags fuhren wir zum Botanischen Garten, der uns aber sehr enttäuschte, sodass wir dort nur sehr wenig Zeit verbrachten und stattdessen zurück ins Zentrum liefen, was sehr schön war. Als Pause saßen wir eine Weile in der German Bakery, liefen noch mal durch den Stadtpark und vertrieben uns eher ruhig die Zeit, bevor wir um zwei zum Busbahnhof fuhren. Die Rückfahrt war etwas anstrengend, da mein Sitznachbar (dem ich am Fahrkartenschalter zuvor gesagt hatte, dass ich vor ihm da war) mich nicht ganz so gerne mochte und mir unbedingt zeigen musste, dass er der starke Mann ist und ich als weiße Frau gar nichts zu sagen hätte. Vielleicht brauchte er aber auch einfach anderthalb Sitze, wer weiß.
Am Montag war abends eine vietnamesische Freundin zum Kochen bei mir zu Hause. Zusammen haben wir sour fish soup gekocht, die total lecker war. Ansonsten stand der Tag eher im Zeichen von gesund werden, weil ich seit Donnerstag krank war und die Krankheit über das Wochenende natürlich nicht besser geworden war. Leider wurde sie auch im Laufe der Woche nur sehr langsam besser, sodass ich einige Male den Unterricht absagen musste und mir zu Hause die Decke auf den Kopf fiel. Ein entsprechend zähes Wochenende folgte.
Die vergangene Woche an der Arbeit war allerdings ziemlich gut und hat Spaß gemacht. Nachdem ich mich am Freitagmorgen in der Preschool eine Weile mit Thao, der Sekretärin, über ihre Heimatstadt unterhalten hatte, lud sie mich am Abend ein, am folgenden Tag mit ihr dorthin zu fahren und ihre Familie zu besuchen. Als wir am Samstag starteten, saßen nicht nur wir, sondern auch ihre Schwester mit Sohn und ihr Bruder im Auto. Ihre Heimatstadt ist nur eine halbe Stunde von Can Tho entfernt. Als wir dort ankamen, liefen wir zunächst über den Markt (ein wirklich schöner Markt!) und kauften einige Esssachen für den Tag. Ich hatte das große Los gezogen und durfte die Durian tragen…In ihrem Haus angekommen stellte sie uns ihre Mutter und ihren Vater vor und wir durften „relaxen“. Das Haus war ziemlich groß, aber wenig möbliert; ein „echtes“ vietnamesisches Haus wahrscheinlich, denn am Geld scheint es nicht zu liegen. Bald schon wurde mit den Vorbereitungen für das Mittagessen begonnen. Dazu stiegen die beiden Söhne der Familie in den hauseigenen Teich, um insgesamt drei Fische zu fangen, die dann im „Spülbecken“ (es war ein sehr großes Spülbecken direkt auf dem Boden) ihrem Tod entgegengingen. Während eine Schwester ihre Zeit damit verbrachte, den Fisch „richtig“ zu töten, die Flossen abzuschneiden und ihn in „kochgerechte“ Stücke zu zerteilen, wusch Thao Unmengen an Gemüse und Fleisch (keine Unmengen). So wurde das Kochen richtig zur Familienbeschäftigung, naja, eher Frauenbeschäftigung. Die Männer saßen derweil auf der Bank und tranken Kaffee. Gegen 11 (gute Lunchzeit hier) war das Essen fertig. Komischerweise aßen Frauen und Männer getrennt, was jedoch (hoffentlich) daran liegen könnte, dass ein paar Arbeiter zusätzlich anwesend waren. Nun fing der Entspannungsteil des Nachmittags an, jedoch hatten wir keine große Lust, nur im Haus zu bleiben und sagten, wir würden eine Weile spazieren gehen. Weit kamen wir jedoch nicht, weil es bald zu regnen begann. Und weil sich direkt neben uns ein nett aussehendes Hängemattencafé direkt am Fluss befand, entschieden wir uns, dort erstmal einen Kaffee zu trinken. Leider (?) hörte der Regen nach einer gefühlten Minute auf, sodass wir den Kaffee auch gut und gerne hätten später trinken können. Dazu kam bald Thao auf dem Moped vorbei, denn sie und ihre Schwester wollten uns zum Haus der dritten Schwester bringen und hatten Angst, wir würden uns verlaufen – wir waren eine Straße am Fluss entlang gegangen…Also hieß es aufstehen, aufs Moped schwingen und zum Haus fahren. Der Weg dorthin führte über viele kleine Brücken direkt am Fluss entlang und war total idyllisch. Im Haus saßen wir eine Weile bei der Schwiegermutter der Schwester, die sehr süß war. Dann schauten wir uns den Obstgarten hinter dem Haus an. Er war riesig und es führten sogar kleine Flüsse hindurch. Leider waren die Früchte nicht reif, sodass alles sehr eintönig war, aber die Größe allein war schon sehr beeindruckend. In der Regenzeit muss der Garten ein einziges Paradies sein mit frischen Rambotan, Pomelos und Jackfruit (naja, die vielleicht nicht). Auf dem Rückweg wurden wir im Café abgesetzt – wahrscheinlich hatte die Familie den Eindruck, wir würden dort lieber entspannen als bei ihnen zu Hause. Es war in der Tat ein tolles Café und ich war ganz froh, dass wir der Familie ein bisschen Zeit für sich lassen konnten. Ein wenig nahmen wir aber auch an ihrer Gammelzeit zu Hause teil. Irgendwie war es eine sehr besondere Atmosphäre, als Schwestern und Mütter dort zusammen saßen, sich hin und wieder unterhielten und ansonsten nichts taten und den Tag genossen. Es war einfach auch ein toller Ort, denn auch das Haus lag direkt am Fluss, es gab kaum Verkehr und man spürte nichts vom stressigen Can Tho. Um halb vier wurde dann schon wieder mit dem nächsten Essen begonnen, wofür direkt mal ein Huhn geschlachtet wurde. Das war eines der einzigen Male, wo sich ein Mann am Essen beteiligt hat (außer beim Fischfang). Ansonsten hat man die Männer im Prinzip nur auf der Bank gesehen und sie waren auch kaum mit den Frauen zusammen. Ich frage mich, ob diese Geschlechtertrennung immer herrscht oder ob es auch ein „richtiges“ Familienleben gibt, wo alle zusammen sind. Als „dinner“ gab es Reissuppe, die fast genauso wie Hühnerfrikassee schmeckte. Da ich aber zuvor schon ordentlich mit Obst gefüttert wurde und auch vom Lunch ordentlich gegessen hatte, konnte ich davon leider nur wenig essen. Gegen halb sechs machten wir uns auf den Rückweg nach Can Tho und ich konnte auf einen meiner schönsten Tage hier in Vietnam zurückblicken. Danke, Thao!
Heute wollte ich mich eigentlich am Morgen mit einer vietnamesischen Freundin treffen, die mir glücklicherweise abgesagt und das Treffen auf den späten Nachmittag verschoben hat, sodass ich noch eine Weile schlafen konnte. Um fünf trafen wir uns und sie zeigte mir die Can Tho Universität. Es ist ein wahnsinnig großes Gelände mit überraschend vielen sehr neuen Gebäuden. Am Ende fuhren wir in ihren „Schlafraum“. Auf dem Unigelände gibt es einige Studentenwohnheime. Meine vietnamesische Freundin schläft zu zehnt in einem Raum, was schon sehr krass ist und die Privatsphäre enorm einschränkt. Jedoch scheinen alle gut damit umzugehen – sie kennen es ja nicht anders. Nach einem Zuckerrohrsaft in der Kantine haben wir uns getrennt und mein Weg führte nach einer halben Ewigkeit leider mal wieder zum Fahrradreperateur; ja, es war wieder mal das Pedal. Über das halbe Unigelände bin ich mich halb abgebrochenem Pedal gefahren und war froh, dass das Treffen früh genug beendet war, sodass ich mein Fahrrad noch reparieren lassen konnte. Hoffentlich war es das letzte Mal!
Ich bin aber zuversichtlich, schließlich sind es insgesamt nur noch zwei Monate in Can Tho. Das sollte das Fahrrad doch geradeso schaffen.
Eure Clara
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