Happy Women’s Day!
Als ich heute Morgen aufgestanden bin, habe ich den Tag noch nicht für etwas Besonderes gehalten. Auch in Deutschland hätte ich nie gewusst, dass heute doch der Internationale Frauentag ist. Doch heute Morgen, als ich bei einem Kaffee im Café saß und in mein Tagebuch vertieft war, kam plötzlich der Kellner mit einer roten Rose und wünschte mir einen „Happy Women’s Day“. Da hatte der Tag schon mal gut begonnen, endlich hatte ein Tag mal wieder gut begonnen, nachdem ich letzte Woche eine Tiefphase durchmachen musste, die ich so in Vietnam höchstens in den ersten beiden Tagen erlebt hatte. Alles nervte mich, sei es die Hitze oder die Menschen, die Schule oder das Haus, einfach alles. Ich wusste nicht, wie ich es noch weitere sechs Monate hier aushalten sollte; zum ersten Mal kam mir das vor mir liegende halbe Jahr unendlich lang vor. Das hatte mehrere Gründe. Zum einen war mein Start in Can Tho nicht der Beste. Auf der Rückfahrt aus Da Lat hatte ich starke Magenprobleme, konnte selbst Wasser nicht trinken. Darauf folge eine zum großen Teil schlaflose Nacht mit Fieber und Kopfschmerzen. Die Folgen von dieser, so glaube ich, Lebensmittelvergiftung habe ich die halbe Woche noch gemerkt. Ich konnte nicht alles essen, oder traute es mich zumindest nicht, und war deshalb oft ziemlich kraftlos. Und das, obwohl ich Kraft in der Schule dringend gebraucht hätte. Da sich ja viel ändern sollte, sind wir Montag in die Schule gefahren, um mal zu schauen, was denn jetzt in Zukunft der Plan ist. Die Direktorin war nicht da und musste erst gerufen werden. Als dann ihr erster Satz im Gespräch war, die für unser Englischsystem verantwortlichen Leute aus Saigon wollten, dass ich weiter Science unterrichte, war für mich das Gespräch fast schon gelaufen. Natürlich habe ich das abgelehnt, habe gesagt, dass das für mich nicht möglich ist, zum einen sprachlich, zum anderen aber auch thematisch. Ich kann nicht vertreten, dass in der ersten Klasse gelernt wird, in welchen Lebensmitteln Proteine enthalten sind, und ich fühle mich auch nicht dazu in der Lage, mit der fünften Klasse Sexualkunde zu machen, wo auch Vergewaltigung ein Thema ist. Unsere Direktorin kennt wohl die Bücher, ist von ihnen auch nicht begeistert, bietet aber auch keine Alternative an. Da ich den Scienceunterricht vehement abgelehnt habe, verändert sich nun ein wenig. Die erste bis dritte Klasse werde ich mir mit meiner Projektpartnerin teilen, was wir genau dort machen sollen, ist aber nicht klar. „Listening and speaking“ oder „some easy games“, wenig Konkretes. Damit war ich zu Beginn total überfordert. Ich hatte kein Unterrichtsmaterial und keine Ahnung, was die Kinder schon gelernt hatten. Dementsprechend lief mein Unterricht. Und da stellte sich mir natürlich die Frage, wie soll das nun die nächsten drei Monate weitergehen?
Freitag waren wir mit der Schule am Vormittag in einer Schule für behinderte Kinder. Eigentlich war es eine ganz interessante Sache, aber ich war schon so in meinem Loch, dass ich mich daran nicht wirklich erfreuen konnte. Die ganze Aktion war auch nicht nur positiv, denn das ganze endete in einer wahllosen Geschenkübergabe der Kinder unserer Schule an die behinderten Kinder. Es war, als müsste unsere Schule zwangsläufig etwas Gutes tun, müssten Geschenke verteilen, um sich gut zu fühlen. Was allerdings ganz interessant war, war der Kontakt mit den behinderten Jugendlichen. Das Alter reichte von 6 bis 22, die Älteren haben auch versucht, sich mit uns zu unterhalten. An der Schule waren die meisten Kinder taub und so kamen sie an, schrieben „name“ und „age“. Es war eine interessante Erfahrung, so zu versuchen zu kommunizieren.
Abends gab es ein Essen der Schule zum Frauentag, vorgezogen mal wieder. Wieder wurden wir so hervorgehoben und bekamen einen Blumenanstecker. Ich glaube, das ist es, was mich hier im Moment so stört. Pausenlos ist man etwas Besonderes nur aufgrund der Hautfarbe. Das ist so oberflächlich. Jeder auf der Straße grüßt Dich, weil Du weiß bist, jeder lächelt Dich an, weil Du weiß bist, Dir werden Aufgaben gegeben, weil Du weiß bist, und ich glaube, selbst meine vietnamesische Freundin ist mit mir befreundet, weil ich weiß bin, nicht etwa, weil sie mich nett findet. Das war die vergangenen sechs Monate zwar genauso, ist mir aber nie so aufgefallen oder hat mich sehr gestört. Vielleicht merke ich es jetzt erst richtig, weil ich drei Wochen lang Tourist war, mich an Touristenorten aufgehalten habe und deshalb immer viele andere Weiße um mich hatte. In Can Tho bin ich das nicht mehr. Dazu kommt, dass man wieder so viel allein macht, sich alleine aufraffen und motivieren muss.
Es war also insgesamt schwierig, in den Alltag zurückzukehren. Über das Wochenende ging es aber stetig bergauf. Am Samstag habe ich mich mit meiner vietnamesischen Freundin getroffen und habe mit ihr gemeinsam ihren Freund besucht. Der wollte mir nämlich gerne mal sein Haus zeigen. Das ist im Prinzip nur ein Raum, der aber immerhin zwei Etagen hat, wo er mit seiner Schwester wohnt. Ein bisschen blöd war die Situation aber schon, als sie mich fragten, ob mein Haus größer sei. Am Sonntag war ich dann mal schwimmen. Das Wasser im Schwimmbad war zwar ziemlich trüb, aber es hat viel Spaß gemacht, mal wieder „richtig“ zu schwimmen.
So, nun kommt endlich der Reisebericht über Laos und Da Lat. Dabei muss ich eigentlich bei der Hinfahrt beginnen, denn die war schon eine Sache für sich. Um 9 Uhr ging es aus Can Tho mit dem Bus nach Saigon, wo wir mittags ankamen und zunächst in ein Reisebüro gingen, um für abends einen Zug nach Hue zu buchen. Wir hatten allerdings nicht eingeplant, dass schon zu der Zeit der Tet-Reiseverkehr beginnt und somit der Zug schon voll war. Die einzige Alternative war, am nächsten Morgen um 8 Uhr einen Bus zu nehmen. Begeistert waren wir nicht, noch eine Nacht in Saigon bleiben zu müssen, aber wir hatten schließlich keine Wahl. So sah unser neuer Plan so aus, dass wir einen Sitzbus nach Nha Trang nehmen würden, von dort aus in einen Schlafbus wechseln würden und am Samstagmorgen in Hue wären. Von dort aus konnten wir im Reisebüro gleich einen Bus weiter nach Vientiane buchen, der am Samstagabend losfahren würden. Auch hier mussten wir in Ha Tinh einmal umsteigen. Soweit der Plan. Als wir am Freitagmorgen im ersten Bus saßen, wurde uns etwas mulmig, als wir im Lonely Planet den Teil zu Grenzübergängen lasen. Ursprünglich, in unserem ersten Plan, wollten wir einen Grenzübergang nehmen, der von Hue nach Savannakhet führt. Da wir in Ha Tinh umsteigen sollten, war es sehr wahrscheinlich, dass uns ein anderer Grenzübergang erwarten würde, den die Busse, die aus Hanoi kommen, gewöhnlicherweise nehmen. Und diese Strecke wird vom Lonely Planet als Horrortrip beschrieben, für Menschen, die sich selbst geißeln wollen, eine Strecke, die auch bei Drogenhändlern sehr beliebt ist, wo von Ausländern spontan mehr Geld gefordert wird oder sie mitten im Nichts ausgesetzt werden, die Busfahrer einfach mal anhalten und schlafen, wenn sie Lust dazu haben. Das hörte sich alles etwas beängstigend an, aber es war gebucht. Die Fahrt war sehr interessant, weil sich die Landschaft stets veränderte. Mal führte die Strecke am Meer entlang, dann tauchten wieder Berge auf. Die letzte Stunde bis Nha Trang, als es schon dunkel wurde, war etwas anstrengend und ich freute mich auf den Schlafbus. Wir kamen in Nha Trang an, erwarteten, gleich in den Schlafbus zu steigen und eine entspannte Nacht zu verbringen und freuten uns wirklich riesig darauf, als immer mehr Buspassagiere wegfuhren und kein weiterer Bus in Sicht war. Wir fragten dann einen unserer Busfahrer, wie wir denn jetzt weiterkommen würden, worauf der total überrascht reagierte: „Wie, ihr wollt jetzt noch nach Hue?“ Zu Beginn der Fahrt hatten wir nämlich das Busticket abgeben müssen und jetzt war es plötzlich verschwunden. Zum Glück hatten wir die Handynummer der Frau, bei der wir die Fahrt gebucht hatten, sodass nach zehn Minuten zumindest klar war, dass wir bis Hue gebucht hatten. Nach weiteren fünf Minuten kam jedoch eine Frau, die meinte, I’m sorry, now sleeping bus full. Na toll! Völlig entgeistert haben wir sie angestarrt, denn nach der Freude auf den Schlafbus war das echt erstmal ein Schock. Ich habe ihr dann gesagt, dass wir zumindest etwas Geld zurückhaben wollten, wenn wir stattdessen einen Sitzbus nehmen. Sie telefonierte noch einmal und meinte dann vollen Ernstes, dass der Sitzbus denselben Preis habe wie der Schlafbus. Wir könnten nun entweder den Sitzbus nehmen oder wir müssten eine Nacht in Nha Trang bleiben und würden das Geld zurückbekommen. Da wir ja schon den nächsten Bus gebucht hatten, hatten wir keine Wahl und mussten den Sitzbus nehmen. Ich war ziemlich sauer und von der Fahrt so erschöpft, dass ich den Tränen nahe war, aber als wir auf Mopeds verfrachtet wurden und direkt am Strand von Nha Trang entlangfuhren, freute ich mich auch wieder über die tolle Möglichkeit, eine solche Reise machen zu können. Und als wir dann im halbleeren Sitzbus saßen, konnte ich über alles fast schon wieder lachen. Die Nacht war dennoch unbequem und wurde natürlich noch ungemütlicher, wenn man immer daran denkt, was man hätte haben können. Aufgeschreckt wurden wir einmal durch einen Knall. Der Bus blieb stehen, draußen sagte jemand: „Happy, no die!“ Wir waren mit einem Moped zusammengestoßen. Morgens um 7 waren wir in Hoi An. Uns wurde zuvor noch gesagt, wir würden dort nur kurz halten und müssten nicht umsteigen. Dem war aber mal wieder nicht so. Uns wurde gesagt, wir sollten eine Stunde warten, dann würde der nächste Bus kommen. Zum Glück hatten wir unser Ticket dieses Mal behalten! Die Pause war dann doch ganz gut, denn so konnten wir erstmal frühstücken gehen. Der zweite Bus kam dann auch tatsächlich um 8, sodass wir um 1 völlig fertig in Hue ankamen – 5 Stunden später als geplant, aber immerhin waren wir da! Wir fuhren zunächst zum Reisebüro, wo wir unser Ticket bekommen sollten. Dort wurden wir auch schon erwartet. Den Rest des Tages wollten wir eigentlich zur Zitadelle, um einen kleinen Eindruck von Hue zu bekommen, liefen aber in die völlig falsche Richtung und beschlossen dann, die Besichtigung von Hue auf später zu verschieben und lieber noch ein wenig zu entspannen, bevor wir abends für dieses Mal ungewisse Zeit wieder im Bus sitzen würden. Um 18 Uhr sollte es weitergehen, die Abfahrt verzögerte sich aber eine Weile. Dieses Mal wurden wir wider Erwarten in einen Schlafbus verfrachtet, der aber schon ziemlich alt und deshalb nicht so bequem war. Ich lag im Bus und versuche, ein bisschen zu schlafen, als wir irgendwann hielten, zwei Vietnamesen, die auf der anderen Seite des Ganges neben uns gelegen hatten ausstiegen, und plötzlich das Handy von der Freiwilligen aus Soc Trang, mit der ich unterwegs war, verschwunden war. Die Busfahrer hatten wohl schon vermutet, dass die beiden Vietnamesen etwas mitgenommen hatten, und haben vor dem Losfahren gefragt, ob wir noch alles hätten. Den Verlust des Handys haben wir zu spät bemerkt. Lange konnten wir uns darüber aber keine Gedanken machen, denn um Viertel vor zwei in der Nacht waren wir an der Umsteigestelle. Der Bus, in den wir steigen sollten, war schon da. Es war, wie fast zu erwarten, ein Bus aus Hanoi, wir waren die einzigen, die umstiegen. Als wir in den Bus kamen, war der Mittelgang überfüllt mit Gepäck, auf allen Plätzen saßen Leute oder lagen Sachen. Auf unsere Frage, wo wir uns denn hinsetzen sollten, antworteten sie: „No seat.“ Na toll, da stehen wir noch total aufgewühlt mitten in der Nacht im Bus, sind aber auch total fertig, weil wir zu dem Zeitpunkt bald schon 48 Stunden unterwegs waren und sollten nun bis Vientiane STEHEN! Sie sagten, wir sollten uns auf das Gepäck setzen, aber das wollte nicht so recht funktionieren. So zogen sie zwei Vietnamesen von ihren Sitzen und bedeuteten uns, uns dorthin zu setzen. War das unangenehm! Neben mich quetschte sich dann noch der Busfahrer, vielleicht der Grund, warum sie für uns Platz machten…Die Vietnamesen stiegen zum Glück bald aus, aber viel bekam ich nicht mehr mit, denn die Müdigkeit übermannte mich bald. Um 6 wachte ich auf und wir standen, aber nicht, um kurz Pause zu machen, wir standen wohl schon längere Zeit. Und taten das auch noch eine Weile – der Lonely Planet lässt grüßen. Unsere Busfahrer waren ins Hotel schlafen gegangen. Ein bisschen mulmig wurde mir schon bei der ganzen Sache, unsere Busfahrer sahen aus wie zwei Mafiabosse und hatten ihren Gehilfen in Muskelshirt dabei. Aber was sollten wir tun…Irgendwann ging es dann tatsächlich weiter und ich war plötzlich froh, dass unsere Busfahrer geschlafen hatten. Es ging nämlich auf kurviger, enger Straße durch die Berge zur Grenze. Dort angekommen wussten wir erst nicht wirklich wohin und wollten natürlich auch nichts Falsches machen. Es verlief aber alles ohne Probleme und war ein Erlebnis für sich. Während der Beamte für unseren Ausreisestempel noch etwas mürrisch schaute, rief ein anderer Grenzbeamte ganz fröhlich uns und drei anderen Weißen „Laos“ zu und zeigte in eine Richtung. So liefen wir eine Weile durch das „Nichts“ mit Ausreisestempel, aber ohne laotisches Visum. Das bekamen wir aber auch ohne Probleme und es konnte weiter nach Vientiane gehen. Die Busfahrer wurden immer netter und ein englischsprechender Vietnamese übersetzte für den halben Bus, was wir so erzählten, dass wir Freiwillige sind und für ein Jahr in Vietnam. Lange konnte ich aber auch da nicht mehr durchhalten, denn ich war so müde. So war ich froh, als wir nachmittags endlich in Vientiane waren! Mit allen anderen Weißen aus unserem Bus (das waren etwa 10 Leute) nahmen wir ein Tuktuk ins Zentrum. Wir wurden an einem Ort herausgelassen, wo keine Menschenseele war. Es war in der Tat ein zentraler Punkt von Vientiane, was wir in dem Moment aber nicht wussten. Es bestätigte den ersten Eindruck von Vientiane, dass alles viel ruhiger war, es viel mehr Autos gab und es auch viel sauberer war. Völlig verloren und ohne Orientierung liefen wir in irgendeine Richtung und wurden glücklicherweise bald angesprochen. Wir kamen zu einem Gästehaus mit ziemlich dreckigen Zimmern für verhältnismäßig viel Geld, das wir letztendlich aber nahmen nach der langen Fahrt. Der Rest des Tages ging mehr an uns vorüber. Wir liefen etwas durch die Straßen, gingen essen, aber zu wirklich viel waren wir nicht mehr in der Lage. Das sollte am nächsten Tag kommen.
Da wollten wir zunächst zum DED-Landesbüro von Laos fahren, wo wir sozusagen von unseren Mentoren „hingeschickt“ wurden. Wir dachten, es könnte interessant sein, vielleicht ein paar Freiwillige aus Laos kennenzulernen. Als wir jedoch dort ankamen, kam ich mir ziemlich fehl am Platz vor – ich, eine Freiwillige aus Vietnam, stehe plötzlich ohne richtigen Grund beim DED. Wir wurden aber sehr offen empfangen, unterhielten uns erst eine Weile mit einem Entwicklungshelfer und dann mit dem weltwärts-Verantwortlichen aus Laos. Interessant war, dass die Freiwilligen aus Laos nur an staatlichen Einrichtungen arbeiten dürfen, dass es generell sehr schwierig ist, Plätze für die Freiwilligen zu finden, die von der laotischen Regierung genehmigt werden, während wir in Vietnam überwiegend an privaten Einrichtungen eingesetzt werden, weil es dort eben nicht ein so langes Genehmigungsverfahren gibt. Wir bekamen dann noch eine Kontaktliste der in Laos arbeitenden Freiwilligen und machten uns auf den Weg, Vientiane zu erkunden. Zuerst gingen wir zum Pha That Luang, einer riesigen goldenen Stupa. Genauso riesig war der Platz davor. Komplett in Gold fand ich den Pha That Luang sehr beeindruckend. Von dort aus ging es weiter zum Patuxai, einer „Abbildung“ des Triumphbogens in Paris. Wir konnten ihn besteigen und hatten eine tolle Aussicht auf Vientiane. Die nächste Station war das Wat Si Saket. Ihn umgab ein Gang mit vielen großen und kleinen Buddahstatuen. Nach dem Mittagessen fuhren wir zum Buddhapark, der etwas außerhalb des Zentrums liegt. Diese Fahrt lohnte sich aber auf jeden Fall! Hier bekamen wir riesige Statuen zu sehen, die teilweise fast schon beängstigend aussahen. So viele so große Figuren an einem Ort waren aber schon faszinierend. Abends durften wir dann zwei der in Vientiane tätigen Freiwilligen kennenlernen und einen schönen Abend direkt am Mekong verbringen.
Am nächsten Tag ging es weiter nach Vang Vieng. Hier wussten wir zunächst nicht, was wir zu erwarten hatten, denn die Meinungen über diesen Ort gingen weit auseinander. Beim DED hatten sie uns am Vortag davon abgeraten, dorthin zu fahren – es sei zu touristisch, es lohne sich nicht. Landschaftlich soll der Ort aber trotz des Tourismus sehr schön sein. Wir wollten es auf jeden Fall selbst sehen und uns ein Bild machen können! Auf dem Weg hatten wir jedoch zunächst eine Panne. Nachdem schon Leute aus dem Bus zum Losfahren anschieben mussten, blieb der Bus eine halbe Stunde vor Vang Vieng endgültig liegen, wir durften eine Stunde auf einen anderen Bus warten. Nachdem wir in Vang Vieng ein sehr günstiges Zimmer gefunden hatten, buchten wir für den nächsten Tag eine Kajaktour und verbrachten den Rest des Nachmittags in einem sehr schönen Café am Fluss, bis die Mücken zu lästig wurden. Abends durften wir beobachten, was alle von diesem Ort erzählen – man geht die Straße entlang an Restaurants vorbei, die komplett gefüllt sind mit Touristen, die alle während des Essens in eine Richtung schauen, zum Fernseher. Und dort läuft dann eine Folge von Friends oder den Simpsons. Das sieht so seltsam aus und ist mir so unverständlich, dass aus der Ablehnung fast schon wieder Sympathie wird. Der nächste Tag war wirklich toll! Unsere Gruppe bestand aus sieben Leuten, drei Koreanern, zwei etwas älteren Menschen, deren Nationalität ich leider nicht kenne, und uns. Wir besuchten zunächst ein „traditionelles“ Dorf, dass sicherlich noch seinen Charme hätte, wenn nicht jeden Tag Massen von Touristen dadurch geschleust werden würden. In der Nähe befindet sich eine Höhle, in der wir tuben gingen, ein weiteres Aushängeschild von Vang Vieng. Üblicherweise setzen sich die Touristen halb betrunken in einen großen Reifen und lassen sich so den Fluss hinuntertreiben. Wir „fuhren“ in dem Reifen durch die Höhle, froren, bespritzen uns mit vorbeikommenden Touristengruppen und hatten viel Spaß, auch wenn die Höhle nicht so einen großen Reiz hatte. Nach dem Mittagessen konnte dann endlich das Kajakfahren beginnen. Die Landschaft war wirklich wunderschön, bei wahnsinnig gutem Wetter fuhren wir auf einem Fluss an riesigen Karstfelsen vorbei, es ging einige Stromschnellen hinunter und hin und wieder wurden wir von unseren netten Führern aus dem Kanu geschmissen – seitdem liebe ich es in Klamotten zu schwimmen. Das ganze hätte so schön immer weitergehen können, aber Veränderung kündigte sich mit leisen Musikklängen an, die immer lauter wurden. Wir waren im „Mallorca-Verschnitt“ Vang Viengs angekommen, das heißt tausende trinkende Touristen, die uns auch mal spontan aus dem Kajak schmeißen müssen. Hier hatten unsere guides anscheinend den Auftrag, erstmal eine Pause einzulegen. Pausenlos boten sie uns etwas zu trinken an und wollten uns den Ort irgendwie schmackhaft machen, doch keiner unserer Gruppe wollte daran wirklich Gefallen finden. Als wir weiterfuhren und zehn Minuten später an der nächsten Bar halt machen sollten, protestierten wir alle. So waren wir schon zwei Stunden früher zurück und froh, diesen Ort am nächsten Tag zu verlassen, auch wenn sich die Reise für den einen Tag wirklich gelohnt hat!
Unser Ziel am folgenden Tag war Luang Prabang, eine alte Königsstadt. Gegen Abend kamen wir dort an und suchten gefühlte Ewigkeiten nach einer preiswerten Unterkunft. Ich habe uns schon fast auf der Straße schlafen sehen…Luang Prabang hatte aber einiges zu bieten. Den Abend verbrachten wir shoppend auf dem Nachtmarkt, am folgenden Tag mieteten wir uns ein Fahrrad, um ein paar Tempel anzuschauen. Zunächst ging es zum Wat Xieng Thong, dann zum Phu Si. Dieser Tempel steht auf einem Berg, von dem man eine tolle Aussicht auf Luang Prabang hat. Den dritten Tempel, den Wat Wisunalat, betrachteten wir nur von außen, weil es uns zu viel war, noch ein drittes Mal das Eintrittsgeld von 20000 Kip zu bezahlen. Nun hatten wir noch einen halben Tag Zeit, den wir nicht mehr in Tempeln verbringen wollten. Also fuhren wir kurzerhand heraus aus der Stadt, zufälligerweise in Richtung eines Wasserfalls, den wir aber nie erreichen wollten, weil er 35 km von Luang Prabang entfernt ist. Wir fuhren also durch die Landschaft und machten im Schatten gerade eine Trinkpause, als ein Tuktuk mit einigen Fahrgästen neben uns hielt und fragte, ob wir zu dem Kuangsi-Wasserfall wollten. Eigentlich wollten wir nicht, aber wir stiegen dennoch in das Tuktuk und ließen die Fahrräder aufs Dach laden. Im Tuktuk saßen bereits andere Touristen und mir war die ganze Aktion sehr peinlich, aber der Wasserfall war es wert. Nachdem wir ihn erst von unten angeschaut hatten, nahmen wir einen Pfad nach oben, zum Beginn des Wasserfalls. Die Natur war wirklich toll! Abends shoppten wir noch ein bisschen den Nachtmarkt leerer und aßen sehr gutes Essen, was mir bis dahin in Laos ein wenig gefehlt hatte.
Von Luang Prabang aus fuhren wir weiter nach Oudomxay. Nun sollte es mal etwas untouristisch werden. Wir nahmen einen kleinen Bus, der fahren sollte, wenn er voll war. Er fuhr, als er überfüllt war. So saßen wir fünf Stunden mit zwei anderen Weißen und vielen Laoten im Bus und waren froh, als wir da waren. Der Grund für dieses Reiseziel war eine Freiwillige, die dort im Touristenbüro arbeitet und uns „Lust“ auf den Ort gemacht hat. Sie holte uns dann auch gleich vom Busbahnhof ab und führte uns in ihr Lieblingsrestaurant, wo es wirklich wahnsinnig gutes Essen gab. Abends wollten wir uns auf einem Berg mit einem Stupa den Sonnenuntergang anschauen; der war zwar schon vorbei, als wir ankamen, das schmälerte die Atmosphäre aber keineswegs. Wir saßen dort, unterhielten uns mit einem Mönch und brachen nach einer Weile auf zum Chef der Freiwilligen, ein Entwicklungshelfer, dessen Hobby anscheinend das Backen ist und der (extra für uns?) Lebkuchen gebacken hatte. Hätte ich doch auch mal einen Backofen in Can Tho…Am nächsten Tag wurde zunächst ausgeschlafen und dann in der Lieblingsbäckerei der Freiwilligen gefrühstückt. Und das war wirklich eine gute Bäckerei, gutes Brot und Haferflockenkekse! Wir saßen dort bis mittags, wo sich ein weiterer Tourist angekündigt hatte, der über zehn Ecken an die Adresse der Freiwilligen gekommen war. Mit ihm gemeinsam planten wir am Nachmittag eine Mopedtour zu einem Wasserfall. Bis wir losfahren konnten, gab es noch einige Komplikationen, doch schließlich fand ich mich auf einem Moped mit Gangschaltung wieder, was ich noch nie gemacht hatte und womit ich dann wahnsinnig steile Schotterpisten herauf und herunter fahren durfte. Ich lebe noch! Auf der Fahrt bekamen wir beeindruckende Natur zu sehen, teilweise war es aber auch ein schlechtes Gefühl, als wir beispielsweise an einer Frau vorbeikamen, die einen Sack Reis auf den Schultern hatte und sich darüber beklagte, dass sie jeden Tag diesen langen Weg mit der schweren Last zu Fuß gehen müsste. Wir fahren zum Spaß mit dem Moped vorbei…Der Wasserfall war weiter entfernt als gedacht (oder ich fuhr langsamer als normal), auf jeden Fall mussten wir bald feststellen, dass wir den Wasserfall nicht erreichen würden. Dafür kam uns der Zufall zu Hilfe. Als wir an einem Bach stoppen mussten, da der Weg direkt durch den Bach führte und ich nicht wusste, ob ich mir das zutraute, befanden sich direkt daneben einige trinkende und feiernde alte Laoten, die uns natürlich sehr interessant fanden. Kurzerhand gesellten wir uns zu ihnen. Das Trinken lehnte ich ab, aber dafür tanzten wir irgendwann „zusammen“, eine Frau erzählte mir stundenlang auf laotisch von ihren Problemen, ich antwortete ihr auf Englisch. Es schien ihr völlig zu reichen, dass ich ihr nur zuhörte, und ich gewöhnte mich auch immer mehr daran, nachdem es mir zu Beginn sehr unangenehm gewesen war. Am Ende musste ich jedoch auf unsere Rückfahrt drängen, denn so mitten in der Walachei wollte ich gerne vor Dunkelheit zurücksein, besonders wenn ich auf einem unbekannten Gefährt unterwegs bin. Als es dunkel war, waren wir zum Glück schon wieder in der Stadt. Netterweise hatten wir kurz vor Ende noch einen Platten, aber wie gesagt, es war kurz vor Ende. Am nächsten Tag wollten wir eine Tour des Touristenbüros ausprobieren, „walk around Oudomxay“. Es sollte durch mehrere Dörfer ethnischer Minderheiten vorbeigehen, durch Primärwald und an eine Schule. Bis wir losgingen, dauerte es eine Weile. Unsere Führerin war eine alte Frau, die wohl viel französisch, aber wenig englisch sprach. Sie zweifelte schon beim Losgehen, ob wir die Wanderung wohl schaffen würden. Laut Beschreibung sollte man zuerst ein Tuktuk nehmen, wir liefen allerdings sofort los. Relativ schnell wurde klar, dass das wohl nicht die Tour werden würde, die wir gebucht hatten. Der Weg war dennoch schön, aber es waren natürlich nicht wir, die fertig waren, sondern sie, die alle fünf Minuten sagte, wir könnten ja mal eine Pause machen. An sich wäre das ja nicht schlimm gewesen, aber uns als die darzustellen, die keine Ausdauer haben, war nicht ganz fair. Nach zwei Stunden kamen wir in einem Hmong-Dorf an. Und wieder durften wir durch etwas Glück etwas Einmaliges erleben. Als wir durch das Dorf liefen, war in einer Hütte gerade eine Zeremonie. Unsere Führerin lief direkt dorthin und wir wurden hereingebeten. Als ich die Hütte betrat, war ich doch ziemlich geschockt. Die Hütte war dunkel, wurde nur durch wenige Lichtstrahlen, die durch die undichten Stellen der Wände kamen, beleuchtet und bestand aus zwei Räumen. In „unserem“ Raum wurde etwas gekocht, ein Mann saß in der Mitte und wollte sich mit uns unterhalten. Im Nebenraum stand eine Bank in der Mitte des Raumes, auf der ein Mann tanzte, der seinen Kopf mit einer Tüte bedeckt hatte. Er sah aus, als wäre er in einer völlig anderen Welt, als wollten sie ihm den Teufel austreiben. Hin und wieder stampfte er mit dem Fuß auf die Bank, sang und stampfte wieder auf die Bank, anschließend schlug ein weiterer Mann einen Gong und ein dritter Mann hob den tanzenden Mann hoch, dass er höher sprang. Dann ging das „normale“ Tanzen von vorne los. Der Mann, der in unserem Raum saß, erzählte uns, durch den Mann würden sie die Geister fragen, warum ihre Tochter krank gewesen wäre. Ein bisschen war es wie in einer Sekte. Nach einer gefühlten Ewigkeit hörte der Mann auf zu tanzen und setzte sich zu uns. Er war beeindruckend, hatte so ein warmes Lächeln und einen so interessierten Blick. Vielleicht war er auch so beeindruckend, weil er plötzlich so normal war, aber trotzdem meinen Blick fesselte. Es sammelten sich immer mehr Menschen um uns, betrachteten uns und hörten uns zu. Unsere Führerin übersetzte viel, erzählte uns, was der Mann über seine Religion erzählte und stellte seine Fragen an uns. Das waren nicht einfache Fragen, er fragte, wie es denn wäre, mit Geld umzugehen, was wir fühlen würden, wenn wir durch das Dorf gingen, wie wir die schlechte Bildung der Kinder fänden. Als ich antwortete, redete keiner, es war so still, obwohl mich ja keiner verstehen konnte. Es trafen zwei verschiedene Welten aufeinander, die voneinander im Prinzip nichts wussten. Für sie kamen wir wahrscheinlich von einem anderen Stern, Deutschland, das muss so unerreichbar für sie sein. Ich war sprachlos, als ich die Hütte verließ. Das war aber auch die einzige Station unserer Tour, anschließend gingen wir zurück. Zum Glück konnten wir einen niedrigeren Preis für die Tour aushandeln, denn billig war sie nicht, aber wir hatten auch nur einen Bruchteil dessen gesehen, was wir gebucht hatten. Dennoch hat sich die Fahrt nach Oudomxay gelohnt, es war einfach mal anders, besonders.
Den nächsten Tag machten wir Pause in Luang Prabang, gingen am Mekong spazieren und genossen das gute Essen. Denn von Luang Prabang sollte es dann weiter nach Phonsavan gehen, eine immerhin achtstündige Fahrt. Am Busbahnhof lernten wir ein paar nette andere Touristen kennen, mit denen wir in den folgenden Tagen viel machen sollten. Am Busbahnhof wurden wir nämlich auch gleich von zwei Männern angesprochen, die uns mit zu ihrem Gästehaus nehmen wollten. Die billigen Zimmer ihres Gästehauses waren leider schon voll, aber sie suchten gemeinsam mit uns ein billigeres. Dort angekommen wollten sie uns nun eine Tour zur Ebene der Tonkrüge, der Grund unserer Reise nach Phonsavan, schmackhaft machen. Mit sieben Leuten saßen wir also dort und versuchten, als so große Gruppe den Preis herunterzuhandeln. Als sie nicht nachgaben, suchten wir uns kurzerhand einen neuen Anbieter. Mit einem schlechten Führer, einem mürrischen Franzosen (er hatte eigentlich eine Einzeltour gebucht und fast das Vierfache von unserem Preis bezahlt…), aber guter Laune ging es am nächsten Morgen los zur Ebene der Tonkrüge. Hier liegen riesige Tonkrüge und keiner weiß, wo sie herkommen. Ein bisschen enttäuscht war ich schon, weil ich es mir beeindruckender vorgestellt hatte. Wir besuchten drei verschiedene Ebenen, machten unterwegs am Whisky-Dorf, das aus einem Haus bestand, und an einem russischen Panzer halt und wurden immer enttäuschter. Das einzig Positive war sicherlich die Gruppe, mit der wir abends noch einen Film über Minenopfer, die es in dieser Region viel gibt, anschauten und den Abend an einem in einer Bombenhülle gemachten Feuer ausklingen ließen. Trotzdem: Die weite Fahrt hatte sich nicht gelohnt.
Nun war unser Urlaub schon bald vorbei und es ging zurück nach Vientiane. Netterweise durften wir für zwei Nächte bei Freiwilligen dort übernachten. Unseren letzten Tag in Laos verbrachten wir, indem wir uns durch Vientiane „aßen“. Wir liefen von Café zu Restaurant und wieder zu Café. Zwischenzeitlich saßen wir noch eine Weile am Mekong. Abends wollten wir Feiern gehen mit den Freiwilligen dort, dabei verletzte ich mir dummerweise das Knie. Das verhieß nichts Gutes für die weitere Reise nach Da Lat, aber immerhin bestand uns nicht nochmal eine 50-Stunden-Fahrt bevor, sondern wir hatten uns den Luxus gegönnt und flogen. Und so kamen wir doch relativ entspannt nach drei Stunden wieder in Saigon an, wo ich fast einen zweiten Kulturschock erlebte. Alles, was vorher so gewohnt war, fiel mir plötzlich wieder auf: Da war der Geruch, den ich zu Beginn noch als Gestank erlebt hatte, und da war der wahnsinnige Verkehr, die vielen Mopeds und das lebendige Treiben auf der Straße. Probleme damit, wie noch am Anfang, hatte ich nicht, aber es fiel mir auf.
Über die kommenden Tage in Da Lat werde ich wohl eher erst morgen berichten. Ich bin geschafft vom vielen Schreiben und ihr sicherlich auch vom Lesen. J
Bis bald!
Eure Clara